Die Kulturpolitik des Bundes ist ein wüstes Feld. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine Meldung aus dem Haus der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) für Aufsehen, Unruhe und Ärger sorgt. Manchmal völlig zu Unrecht, wie im Zusammenhang mit dem Internationalen Quellenlexikon der Musik (kurz: RISM, siehe unseren Nachschlag auf Seite 14) oder wie bei der Falschmeldung im Newsletter von RockCity Hamburg, in dem behauptet wurde, der gesamte Kulturetat des BKM habe sich für 2025 halbiert.
Auffällig ist insgesamt, dass insbesondere die Leiterin des Amtes, Claudia Roth, im Fokus steht – und nicht die Arbeit des ministeriumsähnlichen Amtes selbst. Kürzlich war dies erst der Fall, als sie sich so ungeschickt wie nur möglich in die Programmgestaltung der Bayreuther Festspiele mit der Erweiterung des Programms um Werke aus dem Umfeld Richard Wagners „einbrachte“. Aber auch im Fall der „documenta 15“ in Kassel war sie höchstpersönlich aktiv und warf damit erneut Fragen der Einflussnahme von Politik auf Kunst sehr direkt auf. Wer sich derartig als Person in den Vordergrund spielt, muss sich nicht wundern, wenn die Kritik dann auf diese Person fokussiert wird.
Wie kompliziert manchmal dabei die Sachlage ist, zeigen die Förderungszusagen bei den Bundeskulturfonds. Während die Bundeskulturfonds eine Kürzung ihrer Förderungen um fast die Hälfte von 2024 zum Jahr 2025 beklagen, reklamiert das BKM, dass es sich umgekehrt bei der Förderung beispielsweise des Musikfonds gegenüber 2023 um eine Steigerung von 2 Millionen Euro auf 2,9 Millionen Euro handeln würde und für 2025 allen Beteiligten klar gemacht worden sei, dass man die zwischenzeitliche Steigerung auf 5,4 Millionen Euro im Jahr 2024 als einmalig und als Anschubfinanzierung für besondere Projekte verstanden wissen wollte. Diesen Dissens in der Einschätzung und in der Kommunikation nach außen (Glas halb leer oder halb voll) wird man nicht auflösen können. Natürlich ist den Geförderten allen bewusst, dass Haushalte von Jahr zu Jahr neu verhandelt werden und man sich – außer bei langfristigen Absprachen und Verpflichtungen – auf nichts verlassen kann. Man muss dieses Problem jetzt hier nicht auflösen, der Umgang mit den Bundeskulturfonds zeigt aber an, dass die Fördermaßnahmen des BKM zugleich inhaltliche und die Kultur- und Kunstszene steuernde Konsequenzen zeitigen.
Sicherlich ist es kein einfaches Unterfangen, die zahlreichen Posten im Haushalt (vom Deutschen Musikrat bis zum Amateurmusikfonds, vom Beethoven-Haus bis zum Reeperbahn-Festival) des BKM fair und anspruchsvoll zu verteilen und man muss es als Erfolg werten, wenn im Bundeshaushalt 2025 das BKM sogar 50 Millionen Euro mehr bekommt als im Jahr 2024. Dies zeigt, dass man diesen Gestaltungsspielraum nutzt: Die Frage ist, zu wessen Vor- und zu wessen Nachteil. Das BKM betreibt konkrete Kultur- und eben auch Kunstpolitik – siehe Bayreuth, siehe documenta. Mit der Schlechterstellung der Bundeskulturfonds zeigt man zugleich an, dass einem Kulturprojekte, die innovativeren Kunstbestrebungen Raum verschaffen wollen, keinen Vorrang einräumt, sondern mehr auf Symbol- und Repräsentationspolitik setzt wie im Fall des größtenteils misslungenen Kulturpass-Projekts für 18-Jährige (wir haben mehrfach berichtet und analysiert) oder bei der Förderung des Deutschen Jazzpreises und von „EMIL_Der deutsche Preis für Schallplattenfachgeschäfte“ (1 Million Euro). Zur Erinnerung: Allein die Kosten für die technische Entwicklung, Wartung und Umsetzung des Kulturpasses schlugen mit 6,9 Millionen Euro zu Buche. Im Jahr 2025 ist kein Cent mehr für dieses Projekt eingeplant.
Ebenso sinkt die Förderung des Amateurmusikfonds von 4,6 Millionen Euro im Jahr 2024 auf 1 Million Euro für das Jahr 2025. Noch deutlicher sind die Einsparungen bei dem Haushaltstitel, der unter Einzelprojekte geführt wird: von zirka 20 (2023) über 16 (2024) auf knapp unter 4 Millionen Euro (2025). Dagegen können die Deutsche Nationalgalerie (2023: 15 Millionen; 2024: 69 Millionen; 2025: 102 Millionen Euro) und die Deutsche Nationalbibliothek, die Projekte Mitteldeutsche Schlösser und Gärten und die Filmförderung (2024: 48 Millionen; 2025: 72 Millionen Euro) mit erheblich gesteigerten Zuwendungen rechnen.
Das BKM und vor allem seine Führung durch die Staatsministerin Claudia Roth gerät damit laufend zwischen die Fronten der verschiedenen Begehrlichkeiten. Während das für die politischen Gegner ein beinahe natürliches Verhalten ist, ist es – sobald es aus den Reihen der Regierungskoalition kommt – längst vom kommenden Wahlkampf 2025 geprägt, wenn zum Beispiel der kultur- und medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Helge Lindh, am 15. August 2024 erklärt: „Nach dem wichtigen und notwendigen Haushaltsaufwuchs im Jahr 2024 sollen die Fonds nun fast auf das Vor-Corona-Niveau gesenkt werden.“ Das ist zwar nachweislich falsch, aber im nächsten Jahr sind Wahlen und da muss man an jeder Ecke nach Stimmen fischen: „Als SPD-Bundestagsfraktion erwarten wir, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bei den anstehenden parlamentarischen Haushaltsberatungen Lösungen aufzeigt, um diesen schwerwiegenden Fehler zu korrigieren und den angerichteten kulturellen Flurschaden möglichst gering zu halten.“ Umgekehrt ist man im BKM auch nicht gut beraten, wenn man Projekte wie den KulturPass als großen Erfolg verkauft, um ihn dann völlig kommentarlos einschlafen zu lassen. Auch das seit Jahren gepflegte Mantra der „angespannten Haushaltslage“ wirkt dabei eher als ein Offenbarungseid über Gestaltungsschwächen der Arbeit des BKM unter Claudia Roth – abgesehen von ihren unerfüllten Versprechen vor der Wahl zum jetzigen Bundestag.
So etwas beschädigt das Bild von Politik in der Öffentlichkeit. Natürlich kann man die Haushaltsentscheidungen im BKM hinterfragen – und das tun wir nicht weniger. Aber mit dem aktuellen „Aufwuchs“ an Fehlinformationen erweist man der Sache einen eher schlechten Dienst. Leiden müssen die Kulturakteure insgesamt.
- Zuerst erschienen in nmz Ausgabe09/2024 – 73. Jahrgang