Die „Junge Union“ hat in Berlin zu einer Weihnachtsfeier eingeladen, die unter dem Motto „Schlager gegen Links“ steht. Angeblich ist der Zuspruch so groß, dass man die geplante „Location“ wechseln muss. Wie man aus gut unterrichteten Kreisen gehört hat, soll es sich bei den zahllosen Interessentinnen vor allem um Musikwissenschaftlerinnen handeln, die sich auf dieser Veranstaltung fortbilden möchten. Welche Werke der Musik haben die Heldinnen der „Jungen Union“ denn da im Blick? Wo sind all die Schlager, die explizit „gegen Links“ wären. Außer eher den Schlägerinnen von rechts eben.
Gewiss, es gibt da Merkmale des Schlagers, die das Riemann-Musiklexikon aufführt, die in die gewünschte antilinke Richtung gehen könnten. Als Merkmal Nummer vier führt das Lexikon an:
„Eignung für kurzfristige Kompensation von Mängeln der gesellschaftlichen Realität durch den Rezipienten (Reduktion von pessimistischen und Förderung von optimistischen Emotionen). So ermöglichten Fernweh-Schl. (Italien, Übersee) in ökonomisch prekärer Situation Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg und vor dem Einsetzen des Tourismus die Flucht aus der Realität in ferne Traumwelten (z.B. Komm mit mir nach Tahiti, 1947). Politische Ideologien setzen Schl. und die Unterhaltungsindustrie überhaupt zur scheinhaften Realitätsbewältigung analog ein, so im Durchhalte-Schl. vor dem Ende des 2. Weltkriegs (z.B. Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn, 1944).“ [Brockhaus-Riemann Musiklexikon: Schlager. Brockhaus Riemann Musiklexikon, S. 9322, (vgl. BRM Bd. 4, S. 109) © Schott Musik International].
Aber so richtig gegen „links“ ist das doch ehrlicherweise auch nicht. Man kann zu Schlagern ja so oder so denken. Bis zum Beweis des Gegenteils (so richtige Nazi- oder Neonazi-Schlager der Kampftruppen wird man wohl eher nicht zur Party mitbringen – hoffe ich zumindest) dürfte es für den Moment jedoch so aussehen, als würde es daher eine recht stille Weihnachtsfeier werden. Und das ist dann vielleicht doch eine geradezu dialektische List der musikalischen Vernunft, die man insbesondere bei Weihnachtsfeiern einer angeblich christlichen Jugendorganisation nur begrüßen kann.
Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 12/2019 – 68. Jahrgang